Brandenburger Grüne wollen Lehrkräftebildung attraktiver machen.
Angesichts des Lehrkräftemangels fordern die Bündnisgrünen auf ihrem Parteitag in Wildau am 24.11. 2018 die Einführung eines Lehramtsstudiums an der Universität Cottbus, insbesondere für die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik).
Außerdem soll die Ausbildung praxisnäher gestaltet und durch neue Ausbildungswege attraktiver werden, beispielweise Duales Studium und Ein-Fach-Lehrkräfte.
Parteitag B90/Grüne Brandenburg am 24.11.2018 in Wildau
Wahlprogramm zur Landtagswahl 2019
Mein Redemanuskript zur Einbringung des Bildungsteils
Liebe Delegierte,
2,1 % Unterrichtsausfall klingt relativ wenig. Schaut man aber genauer hin, so stellen wir fest, dass es viele Schulen ohne Unterrichtsausfall gibt, aber auch viele mit 4, 5 % oder mehr. Das ist dann schon nicht mehr akzeptabel.
Mindestens genauso schwer wiegt es aber, dass ein Großteil des Vertretungsunterrichts sich negativ auf die Qualität auswirkt. Zusammenlegen von Klassen oder Teilungsgruppen, Lehrkräfte, die die Schülerinnen und Schüler kaum kennen – all das ist vor allem ein Hemmschuh für Gemeinsamen Unterricht bzw. Inklusion.
Deshalb fordern wir mehr Vertretungsreserve. Seit Jahren haben wir einen Krankenstand bei den Lehrkräften von ca. 6%. Insgesamt beträgt der Vertretungsbedarf 10%. An diesen Zahlen werden wir uns orientieren, denn jedes vergleichbare Unternehmen plant entsprechend mehr Personal ein, um den Krankenstand auszugleichen.
Höhere Vertretungsreserve bedeutet:
· bessere Vertretungsqualität,
· weniger Unterrichtsausfall
· mehr Gestaltungsspielraum bei AGs und Unterricht außerhalb der Schule.
Kommen wir zur unvermeidlichen Strukturdiskussion. Selbstverständlich liegt uns der weitere Ausbau der Anbindung mit Gesamtschulen am Herzen, denn wir wollen längeres Gemeinsames Lernen und mehr Chancengerechtigkeit. So waren und sind Grüne z. B. in Potsdam und dem Havelland wesentlich bei der Neugründung von Gesamtschulen beteiligt.
Aber es gibt auch gute und akzeptierte Oberschulen – insbesondere auf dem Land und es wäre falsch, die Konfrontation mit den Beteiligten zu suchen. Stattdessen setzen wir auf eine Verbesserung der Oberschulen. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich leistungsstarken Schülerinnen und Schülern zu öffnen und ggf. eine eigene Oberstufe anbieten. So erreichen wir auch längeres Gemeinsames Lernen und mehr Chancengerechtigkeit.
Liebe Delegierte, Gemeinsames Lernen und Inklusion sind uns Bündnisgrüne eine Herzensangelegenheit. Im aktuellen Steinert-Gutachten, das die Landtagsfraktion in Auftrag gegeben hat, wird deutlich, dass auch die Akzeptanz von Inklusion relativ groß ist – keine Selbstverständlichkeit. Wir schlagen einen Weg ein, der die Betroffenen mitnimmt. Deshalb beginnen wir nicht mit der Schließung von Förderschulen, sondern gehen weiter den Weg, die Regelschulen fit für Gemeinsames Lernen und Inklusion zu machen und das Elternwahlrecht zu akzeptieren.
Wir erleben derzeit Lehrkräfteknappheit und ein System, das vor die Wand fährt, wenn Lehramtsstudent*innen ihre Ausbildung abbrechen und als Quereinsteiger*innen in den Schuldienst gehen.
Quereinsteiger sind nur eine Notlösung. Wir müssen dringend die Ausbildung praxisnäher und attraktiver gestalten – z. B. durch ein Duales Studium.
Ja, wir brauchen mehr Studienplätze – ein zweites Standbein der Lehrkräfteausbildung in Cottbus erscheint sinnvoll. Das sollten wir prüfen.
Liebe Freundinnen und Freunde, vor fünf Jahren hatten wir in der LAG Bildung eine sehr engagierte Programmdiskussion, an der sich knapp 30 Fachleute beteiligt haben. Vieles davon ist in unser neues Programm eingeflossen, aber es gibt auch große Fortschritte in den letzten 5 Jahren, die wir unterstützt haben: so beim Gemeinsamen Unterricht, der Gründung von Gesamtschulen und Ausweitung der Schulsozialarbeit.
Ich bitte um Zustimmung zum Bildungsteil.
(Anmerkung:
Der kursiv gesetzte Text konnte aus Zeitgründen nicht gehalten werden.)
Wolfgang Seelbach
Landeselternsprecher fordert Pädagogsiche Hochschulen
Interview mit Wolfgang Seelbach
Stellungnahme des Vizepräsidenten der Uni Potsdam
In Deutschland fehlen Lehrkräfte und der Mangel dürfte sich verschärfen. Schuld daran ist auch schlechte Planung in einigen Bundesländern.
Zeit 3.4.2018 Lehrermangel: Schadensbegrenzung statt Bildungsoffensive
Eine Analyse der derzeitigen Situation und Rückblick auf den "Schweinezyklus".
Mehr Studienplätze für Lehrkräfte? Unis sind skeptisch!
Die Unis in Berlin und Potsdam haben skeptisch auf das Ansinnen von Politik und Elternschaft reagiert, die Anzahl der Plätze für Lehramtsstudenten deutlich zu erhöhen.
„Mit dem versprochenen Mittelzuwachs wäre es unmöglich, die Zahl der Absolventen pro Jahr … auf jetzt verordnete 2000 zu steigern.“ verlautet es aus HU und FU (pnn 2.11.2016, S.20)
Der Vize-Präsident der Uni Potsdam geht sogar noch weiter. „Grundsätzlich“ bilde seine Uni nicht zu wenig aus. „Es kann natürlich sein, dass aktuell, wenn viele Lehrer in den Ruhestand gehen, die Potsdamer Absolventen nicht ausreichen“.
Er hält ein kurzfristiges Hochfahren der Studentenzahlen nicht für möglich, warnt vor „Überkapazitäten“ und verweist auf die Fluktuation in den Bundesländern. Die Fehler der Vergangenheit sieht er nicht bei der Uni, sondern bei der „Landespolitik“.
Grundsätzlich wäre die Uni aber bereit, bei entsprechenden „Entscheidungen“ der Politik, mehr Lehrkräfte auszubilden, „Lehrerbildung“ sei schließlich „unser Kerngeschäft“.
Eine Pädagogische Hochschule lehnt er ab, „weil sie der Wissenschaftlichkeit der Lehrerbildung keine Rechnung trägt“. (pnn 2.11.2016, S. 21)
Mein Kommentar zum Interview mit Herrn Musil:
Zunächst einmal freut es mich, dass Herr Musil, Vizepräsident der Uni Potsdam, Lehrerbildung als Kerngeschäft ansieht und auch grundsätzlich bereit, bei entsprechenden Vorgaben der Politik mehr Lehrkräfte auszubilden.
Allerdings geht er nicht auf den Ernst der Lage ein. Weder Berlin noch Brandenburg waren in der Lage, ausreichend Lehrkräfte für das begonnene Schuljahr zu finden, so dass in erheblichem Umfang Quereinsteiger eingestellt werden mussten. Es sieht alles danach aus, dass sich die Lage in den nächsten Jahren verschärft. Die bisherigen Überkapazitäten aus Bayern und Baden-Württemberg werden voraussichtlich nicht mehr wie bisher zur Verfügung stehen.
Angesichts dieser Situation davor zu warnen, „vorschnell groß hochzufahren“ und „langfristig Überkapazitäten [zu] schaffen“ ist eine Botschaft zur Unzeit. Wir haben genau das gegenteilige Problem, nämlich Unterkapazitäten bei der Lehrkräfteausbildung.
Herr Musil verweist auf die Fluktuation zwischen den Bundesländern. „1000 Absolventen wären nicht 1000 neue Lehrer für das Land.“ Richtig, aber wenn alle Bundesländer in der Vergangenheit zu wenig ausgebildet hätten, wären Unterversorgung und Bildungsnotstand schon längst Realität.
Er sagt, es sei ein „wichtiger Weg“, Lehrkräfte „aus anderen Bundesländern anzuziehen“ und ignoriert, dass das in Zukunft so nicht mehr möglich ist, da in allen Bundesländern Lehrkräftemangel herrscht.
Er übt harsche Kritik an dem Konzept der Pädagogischen Hochschulen. Gleichzeitig empfiehlt er, Lehrkräfte aus anderen Bundesländern anzuwerben – Lehrkräfte, die teilweise an Pädagogischen Hochschulen ausgebildet wurden. Das erscheint unglaubwürdig.
Die Uni Potsdam hat sich in der Vergangenheit einen guten Ruf bei der Lehrkräfteausbildung erworben. Umso enttäuschender ist es, dass detailliert gegen eine weitere Erhöhung der Ausbildungsplätze argumentiert wird, ohne die Dringlichkeit der Kapazitätenausweitung anzusprechen.
Wolfgang Seelbach, 2.11.2016