Mängel bei der Barrierefreiheit
Auf der Sitzung des Kreis-Sozialausschusses am 21.1.2019 stellt die Integrationsbeauftragte Anne-Christin Kubb fest, dass in vielen Bereichen des Havellandes von Barrierefreiheit noch keine Rede sein kann.
Als Beispiele nannte sie unter anderem die Internetauftritte von Verwaltung, Institutionen und Unternehmen. Der barrierefreie Ausbau der Bushaltestellen ist noch nicht weit vorangeschritten.
Auf meine Nachfragen hin erklärte die Dezernentin Frau Nermerich, dass die Kreisverwaltung keinen Überblick über den Stand der Umbauten hat und erst im Herbst eine entsprechende Liste vorlegen kann. Es ist unklar, ob der vorgeschriebene Termin 2022 eingehalten werden kann.
Der Internetauftritt wird nach Aussagen der Integrationsbeauftragten demnächst überarbeitet. siehe auch Artikel in der MAZ
Wolfgang Seelbach
Umfrage unter Lehrkräften:
Inklusion ja, aber unter besseren Bedingungen!
Als Ergebnis einer aktuellen Forsa-Umfrage (Mai 2017) unter Lehrkräften fordert der Verband Bildung und Erziehung (VBE):
„Für gelingende Inklusion“, so heißt es in einer Pressemitteilung des VBE, „muss das Vertrauen der Lehrkräfte in dieses Konzept zurückgewonnen werden. Dafür bedarf es massiver Investitionen, damit die Gelingensbedingungen stimmen. Dazu gehören:
1) die Doppelbesetzung aus Lehrkraft und Sonderpädagoge,
2) die Unterstützung durch multiprofessionelle Teams,
3) die schulbaulichen Voraussetzungen,
4) kleinere Klassen,
5) bessere Vorbereitung durch angemessene Aus-, Fort- und Weiterbildung.“
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse hier
Ministerium will Bedingungen für Gemeinsamen Unterricht verbessern
Nach dem Auslaufen der Pilotphase bei den 84 Grundschulen, die an dem
Projekt teilgenommen haben, sollen nun die positiven Erfahrungen auch anderen Schulen zu Gute kommen.
Die weiterführenden Schulen sollen auf Gemeinsamen Unterricht vorbereitet werden.
Diese Pläne sind zu begrüßen, zielen sie doch auf die Beseitigung bekannter Defizite ab.
Dazu Wolfgang Seelbach: "Unser erweiterter Vorstand hat nahezu einstimmig dem Konzept "Gemeinsames Lernen" zugestimmt. Es ist ein wichtiger Fortschritt bei der
Verbesserung der Unterrichtsqualität nicht nur für Förderschüler und greift unsere Forderungen aus der Inklusionsdebatte auf. Wichtige Eckpunkte sind:
- mehr individuelle Förderung, nicht nur als Schlagwort sondern als schulisches Konzept mit Lernstandsfeststellung, Diagnostik und individuellen Lernplänen
- Beibehaltung des Elternwahlrechtes: "Der Elternwunsch auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens und ggf. Aufnahme in eine Förderschule ... bleibt unberührt:"
- Oberschulen und Gesamtschulen werden jetzt mit einbezogen
- Oberschulen erhalten die doppelte Zusatzausstattung
- Schulleitungen können jetzt mit der pauschalen Zusatzausstattung besser planen
- Prinzip der Freiwilligkeit: Schulen stellen freiwillig einen Antrag auf "Gemeinsames Lernen"
- Leistung und Gegenleistung: nur Schulen, die ihren Unterricht verbessern wollen und ein tragfähiges Konzept zur Verbesserung des Unterrichts haben, erhalten die Zusatzausstattung. "
Bericht der wissenschaftlichen Begleitung zu den Pilotschulen Inklusion
moz 25.2.2016: Inklusion erhält schlechte Noten
Hier mein Kommentar:
Elternwahlrecht erhalten!
Die Studie zeigt einmal mehr, dass Inklusion sich nicht
für ideologische Glaubenskriege eignet.
Die Politiker, die vor 4 Jahren eine Katastrophe vorhersagten und am liebsten das Angebot an gemeinsamem Unterricht insgesamt abschaffen wollten, sollten sich jetzt eingestehen, dass
Integration bzw. Inklusion funktionieren kann, für viele Kinder eine gute Lösung ist und das Leistungsniveau nicht zwangsläufig sinkt.
Die Studie sollte aber auch denjenigen zu Denken geben, die gleich das Kind mit dem Bade ausschütten und die Förderschulen schließen wollten. Denn gemeinsamer Unterricht kann offenbar auch das
Selbstwertgefühl der Lernschwachen negativ beeinflussen.
Deshalb war die Entscheidung der Landesregierung richtig, das Elternwahlrecht zwischen gemeinsamem Unterricht und Förderschule zu erhalten. Das war auch die Forderung des
Landeselternrates.
Optimal wäre es, wenn eine Schule den Unterricht in einem sinnvoll abgestimmten Stundenplan teilweise gemeinsam organisiert, aber auch Raum für Teilungs- oder andere Gruppen bleibt, in denen
Kinder mit gleichen Förderbedarfen unter sich sind.
Wolfgang Seelbach
Inklusionsklassen in Brandenburg sind zu groß!
Im vergangenen Schuljahr waren 31% der Klassen mit Gemeinsamem Unterricht (GU) mit mehr als 23 Kindern überfüllt!
Eigentlich hatte das Ministerium in der Sonderpädagogik-Verordnung die Soll-Höchstfrequenz von 23 vorgeschrieben. In der Praxis sieht das aber ganz anders aus. Wie das Ministerium jetzt auf Anfrage des Landeselternrates mitteilte, waren 1017 der 3245 (=31,34%) Jahrgangsklassen überbelegt. An den weiterführenden sind sogar 40% der Klassen zu voll (412 von 1021), an den Grundschulen sind es 27% (605 von 2224).
Eine niedrige Klassenfrequenz ist eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für individuelle Förderung - neben der Qualifikation der Lehrkräfte. Das gilt erst recht, wenn Kinder mit Förderbedarf in der Klasse sind. Das immer wieder vom Bildungsministerium vorgebrachte Argument, guter Unterricht gehe auch mit großen Klassen, trifft vielleicht für homogene Klassen mit weitgehend selbständig arbeitenden Gymnasiasten oder Berufsschülern zu, geht aber ansonsten an der Realität in unseren Schulen vorbei.
Wolfgang Seelbach, 10.8.2015
siehe dazu den Artikel in der moz auf der Titelseite 12.8.2015
und in der MAZ vom 11.8.2015
Mein Kommentar zu den Rechtfertigungsversuchen des Ministeriums:
Eine Verordnung ist mehr als eine Empfehlung!
Eigentlich hätte ich vom Ministerium statt
einer windigen Rechtfertigung eine positive Reaktion erwartet, nach dem Motto: Sorry, tut uns leid, wir korrigieren das!
Stattdessen wird die Verordnung kurzerhand in
eine Empfehlung umgedeutet (MOZ 12.8. Titelseite).
Hier irrt das Ministerium jedoch. Bei einer Soll-Verordnung müssen Abweichungen Ausnahmecharakter haben.
Wenn alle Soll-Verordnungen jetzt
als Empfehlung umgedeutet werden, wäre das Chaos vorprgrammiert.
Was wäre, wenn Lehrkräfte in Zukunft ihr Stunden-"Soll" als Empfehlung betrachten?
Es irritiert auch, dass das Ministerium den
Abschlussbericht des Pilotprojektes Inklusion abwarten will (MAZ, 12.8.2015, S.13). Gemeinsamer Unterricht findet in weit mehr als den 18% Pilot-Grundschulen statt. Die bisherigen Zwischenberichte
der wissenschaftlichen Begleitung geben keinen Anlass, schon
jetzt die Sonderpädagogik-Verordnung auszuhebeln.
Es ist auch nicht zu erwarten, dass der Abschlussbericht empfehlen wird, die Klassenfrequenzen zu erhöhen.
Ich hoffe, dass das Ministerium sich nochmal besinnt. Statt sich argumentativ zu verrenken, sollte es endlich die Sonderpädagogik-Verordnung umsetzen!
Wolfgang Seelbach, 12.8.2015
zur Situation in der Grundschule Bad Liebenwerda:
Artikel in der Lausitzer Rundschau vom 21.7.2015
René Jentzsch, Vorsitzender der Schulkonferenz:
"Für alle 15 förderungsbedürftigen Kinder an der Reiss-Grundschule wurden gut 29 Stunden errechnet. Davon werden nun aber 20 Stunden für die dritte Lerngruppe abgezwackt. "Dann bleiben nur noch neun Stunden für die individuelle Förderung von 15 Schülern pro Woche", so Jentzsch. "Die besondere individuelle Förderung fällt weg, um den Normalunterricht mit einer dritten Lerngruppe zu gewährleisten.""
Erklärung des Landeselternsprechers
Präzedenzfall Bad Liebenwerda?
Die neue harte Linie des Bildungsministeriums bei Zusammenlegungen von Klassen lassen eine massive Verschlechterung der Lernbedingungen befürchten.
Trotz Protesten von Eltern und Kommunalpolitikern hat die Grundschule Bad Liebenwerda die ihr zustehende dritte Klasse im 5. Jahrgang nicht erhalten.
Zur Beruhigung der Gemüter werden Förderstunden aus anderen Jahrgängen abgezogen, um im 5. Jg. in den Hauptfächern 3 Lerngruppen zu bilden.
Das ist ein fauler Kompromiss, denn der Schule gehen damit wichtige Ressourcen für die Förderung von leistungsstarken und -schwachen Kindern verloren und die Probleme im 5. Jg. werden nicht wirklich gelöst.
Das Ministerium fühlt sich nicht an die Höchstfrequenz von 23 gebunden und verweist arrogant darauf, dass es keinen Rechtsanspruch auf Verordnungen gebe. Damit wird ein jahrelanger Konsens aufgekündigt, der das Vertrauen der Elternschaft in die Verbindlichkeit von Verordnungen erschüttert.
Ich kann nur hoffen, dass die Landesregierung ähnlich wie bei dem unsinnigen Stopp von Ganztagsanträgen zurückrudert und wieder zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zurückkehrt.
Wolfgang Seelbach 13.8.2015
Die Umfrage der Bertelsmann-Stiftung wurde am 1.7.2015 veröffentlicht. Bewertet wurden unter Anderem:
- individuelle Förderung der Kinder
- Engagement der Lehrkräfte
- Lerntempo
- sozialer Zusammenhalt
- Zufriedenheit
Landeselternrat: Kernsätze unseres Beschlusses vom Oktober 2011:
"... Inklusiver Unterricht beinhaltet über die Integration hinaus auch die individuelle Förderung jeder Schülerin und jedes Schülers. Volle und wirksame gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen erreichen wir nur, wenn wir schon in Kindheit und Jugend miteinander leben, insbesondere in Kita und Schule. Gemeinsames Aufwachsen und Lernen trägt nicht nur für Kinder mit Förderbedarf Früchte, sondern fördert die soziale Kompetenz aller Kinder in besonderem Maße und muss für alle Schüler zu einem höheren Bildungsniveau führen. ...
- Die Förderschulen sollen als Partner in den Prozess einbezogen werden. …
- Für Schülerinnen und Schüler, die in einer inklusiven Regelklasse nicht ausreichend gefördert werden können, sind individuelle Lösungen zu finden. ...
- Die umfassende Aufklärung und Einbeziehung der Gesellschaft in den Prozess der Inklusion
ist unbedingt erforderlich."
Anmerkung: Die Pilotschulen verpflichten sich, alle Kinder mit Förderbedarf "Lernen", "Sprache" und "emotional-soziale Entwicklung" ("LES") aufzunehmen und erhalten dafür eine pauschale Mehrausstattung. Über die Aufnahme von Kindern mit anderen Förderbedarfen (z. B. "geistige Entwicklung") wird wie an allen anderen Grundschulen entschieden.